„Starkes Miteinander für mehr Exzellenz.“

Herr Schlaubitz, als Sie sich Ende 2019 entschlossen haben, Chef der deutschen DDB-Holding zu werden, war die Welt noch eine andere – intern wie extern. Haben Sie Ihre Entscheidung schon bereut?

Ich habe noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass mein Entschluss falsch gewesen sein könnte. Im Gegenteil. An meiner Begeisterung für die Aufgabe hat sich nichts geändert. Aber ich will nicht verhehlen, dass es im vergangenen Jahr Entwicklungen gab, die den Job doch etwas herausfordernder gestaltet haben. Aber diesen Herausforderungen mussten sich alle stellen.

Das gilt in Bezug auf die Coronakrise, aber nicht für die Entwicklungen in Ihrer Gruppe. Bei der Kernmarke DDB ist Ihnen die komplette Führungsspitze abhandengekommen.

Im Fall von COO Oliver Janik wusste ich bereits im Vorfeld, dass er sich neu orientieren möchte. Auch in die Gespräche mit Christoph Pietsch und Dennis May war ich schon vor meinem Amtsantritt eingebunden. Insofern bin ich auch hier nicht kalt erwischt worden. Ich hätte mir gut eine Zukunft mit ihnen vorstellen können, beide sind wahnsinnig gute und geschätzte Kollegen. Aber nachdem sie sich für eine neue Aufgabe entschieden haben, können wir die geplante Neuaufstellung noch schneller umsetzen.

Das heißt, es passt in Ihre Strategie, dass die Kernmarke DDB kein separates Gruppenmanagement mehr hat?

Ja, das passt. Denn es kann nicht allein darum gehen, die Kernmarke DDB zu stärken, sondern unsere Agenturgruppe als Ganzes. Also schärfen wir alle Agenturpositionierungen und -Identitäten nach und schaffen die Voraussetzungen für ein neues, starkes Miteinander, das alle Bereiche des Marketings in der Tiefe und über die gesamte Breite abdeckt.

Noch mal fürs Protokoll: Es wird kein eigenes DDB-Gruppenmanagement mehr geben?

Nein. Die Verantwortung liegt bei den Geschäftsführern der einzelnen Standorte. Eine darüber liegende zusätzliche Führungsebene für die Marke DDB brauchen wir in unserer neuen Aufstellung nicht mehr. Das würde die geplante Integration sogar erschweren.

Sie wollen stattdessen die Rolle der Dachgesellschaft Lemon Group stärken. Weniger Managementholding, mehr operative Steuerungseinheit. Was genau haben Sie vor?

Ich sehe zwei wesentliche Bausteine, mit denen wir Unternehmen dabei helfen, relevant für Menschen zu sein. Auf der einen Seite sind das die großen integrativen und sinnstiftenden Geschichten, die Marken zu Orientierungspunkten machen. Dafür steht DDB schon immer. Auf der anderen Seite müssen wir dieses Orientierungsversprechen permanent einlösen – und zwar an allen Kontaktpunkten entlang der Customer Journey. Die dafür notwendigen Kompetenzen von Marketing, über Trainings bis Kommunikation haben wir fest in unserer Gruppe verankert. Jetzt geht es darum, diese Expertisen jeweils bedarfsgerecht und bruchlos zu verzahnen und aus einer Hand zu steuern – um die gesamte Gruppe noch schlagkräftiger zu machen und Verbraucherverhalten messbar zu verändern. Das ist unser Anspruch.

Die Lemon Group kennt allerdings kaum jemand, DDB jeder.

Stimmt. Das wollen wir auch nicht ändern. Deshalb ist der Name der Steuerungseinheit für uns und unsere Kunde auch nicht relevant – wohl aber ihre Funktion für die gesamte Gruppe. Sie gibt Rahmen und Richtung vor und sichert das gemeinsame Leistungsversprechen all unserer Agenturmarken. Mit Diana Sukopp haben wir dafür künftig auch erstmals eine Kreativchefin auf Gesamtgruppenebene, nicht nur für die DDB-Marken. Das gilt auch für den künftigen Chief Growth Officer, dessen Namen wir bald nennen dürfen.

Ist das dann der Nachfolger von CMO Christoph Pietsch?

Ja und nein. Natürlich geht es auch um den Neugeschäftsaspekt. Aber wir wollen den Fokus noch stärker auf organisches Wachstum bei unseren Bestandskunden legen. Da liegt jede Menge Potenzial. Nicht zuletzt deswegen war es so wichtig, dass wir die einzelnen Agenturen der Gruppe genau auf ihre Kompetenzen hin analysiert und die Profile geschärft haben. Wir wissen jetzt, wo sie sich unterscheiden, aber eben auch, wo sie sich ergänzen.

Das klingt so, als hätten Sie ein ziemlich unsortiertes Portfolio übernommen. Dabei war DDB in den vergangenen Jahren ziemlich gut unterwegs. Zuletzt hat man dagegen kaum noch Erfolgsmeldungen gehört.

DDB hat erfolgreiche Jahre hinter sich, zweifelsohne. Damit das so bleibt, müssen wir die bislang recht heterogene Gruppe enger zusammenführen. Das fängt an bei Verrechnungssätzen und  IT-Lösungen, umfasst aber auch Workstreams und Jobprofile. Wir müssen sie vereinheitlichen. Das spart Zeit, schafft Transparenz und Durchlässigkeit und stellt sicher, dass wir unsere Kompetenzen und Angebote gezielt weiterentwickeln und modular für unsere Kunden einsetzen können – und das schnell, wenn nötig auch tagesaktuell. Exzellenz und Schnelligkeit – die Zukunft verlangt beides.

Welche Kompetenzen beziehungsweise Agenturmarken eingesetzt werden, entscheidet künftig die Lemon Group?

Die Holding wird diese Themen strategisch leiten und koordinativ steuern. Wir müssen uns immer wieder die konkrete Situation und das jeweilige Kundenbedürfnis anschauen und prüfen, ob wir für die entsprechende Aufgabe die optimale Aufstellung haben. Oder ob wir dem Kunden nicht noch einen zusätzlichen Mehrwert bieten können, indem wir eine weitere Kompetenz aus unserer Gruppe einbringen.

Bleiben in der neuen Aufstellung alle Marken und Angebote erhalten? Manches doppelt sich und ist womöglich verzichtbar.

Wir haben bislang keine Entscheidungen zu einzelnen Marken getroffen. Aber wir raten unseren Kunden, sich auf die stärksten Marken zu konzentrieren und sie weiter auszubauen. Diese Strategie werden wir auch für die eigene Gruppe verfolgen.

Das heißt, Sie werden sich auch von Marken und Standorten verabschieden?

Wie gesagt, noch sind dazu keine Entscheidungen gefallen. Was ich aber sagen kann: Wir werden unser Angebot vergrößern, nicht verkleinern. Egal über welche Agenturmarke unsere Kunden zu uns kommen: Sie sollen Zugang zu allen Ressourcen unserer Gruppe erhalten – zu wirklich allen, den Ressourcen in Deutschland ebenso wie zu denen unseres globalen Netzwerks.  Auch deshalb ist es sinnvoll, an verschiedenen Standorten präsent zu sein. Nur so können wir die wichtige Portalfunktion sicherstellen.

Gilt das auch für den Standort München und eine Agentur wie Heye? Sie wird Geschäft bei BMW verlieren, bei McDonald‘s hat es nicht mit dem Comeback geklappt.

Heye hat weitreichende Kompetenzen in den Bereichen Kreation und Transkreation. Solche Kompetenzcenter wollen wir ausbauen. München wird in Zukunft noch mehr Storytelling und Content-Kreation anbieten, auch vor dem Hintergrund der Stärke einer Agentur wie Salt Works in diesem Bereich. Ein anderes Beispiel: Am Standort Hamburg kümmern wir uns vor allem um Data, Digital und Tech. Das werden wir in Richtung Marketing Intelligence erweitern. Wir wollen nämlich nicht nur geschätzter Ansprechpartner von Marketingchefs sein, sondern noch stärker mit CFOs und CEOs ins Gespräch kommen. Dafür müssen wir den Mehrwert quantifizierbar abbilden, den wir mit unserer Arbeit beisteuern.

In Hamburg haben Sie DDB Tribal und Track. Deren Kompetenzen überschneiden sich in einigen Bereichen. Wie wollen Sie diese Marken künftig zueinander positionieren?

Die Kompetenzen der beiden Agenturen unterscheiden sich durchaus voneinander. Track ist wahrscheinlich die Agentur in Deutschland, die am umfänglichsten mit den Konsumentendaten ihrer Kunden arbeitet und dabei die Möglichkeiten der Marketing Cloud Lösungen von Adobe, SAP und Co. nutzt. DDB Tribal kreiert digitale Erlebnisse in Anbindung an Marketing- und Werbekampagnen. Aber auch hier wollen wir die Möglichkeit schaffen, interne Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sich besser unterstützen zu können.

Bei McDonald‘s hat das neue Modell noch nicht so gut funktioniert. Den Pitch haben Sie jedenfalls nicht gewonnen. Woran hat es gelegen?

Wir waren am Ende einfach nicht gut genug. Ein Pitch wie bei McDonald‘s ist schon unter bestmöglichen Bedingungen eine große Herausforderung. Wie Sie wissen, kam relativ zu Beginn des Prozesses die Kündigung von Christoph Pietsch und Dennis May. In der Folge haben wir uns entschieden, den Chefkreativen für diesen Pitch auszutauschen. Wir haben zuerst mit Unterstützung der DDB-Kollegen aus Schweden gearbeitet und später dann an unseren neuen Kreativchef in Hamburg, Florian Grimm, übergeben. Im Nachhinein muss man sagen, dass zwei Wechsel im laufenden Verfahren einfach zu viel waren und uns zeitlich zu stark zurückgeworfen haben. Wir hatten eine hervorragende Strategie und eine tolle kreative Idee, am Ende sind wir aber nicht rechtzeitig fertig geworden. Leider.
Zurückgeworfen hat Ihre Gruppe auch der Skandal um das rassistische Instagram-Werbevideo „Petit Colon“ für Volkswagen. Wirkt das noch nach?
Das hat uns alle getroffen, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich noch mal bei allen zu entschuldigen, die der Spot verletzt hat. Rassismus ist etwas, das gegen all unsere Werte verstößt. Wir sind eins der multikulturellsten Unternehmen unserer Branche. Es mag paradox klingen, aber vielleicht ist genau das Teil der Erklärung.
Wie meinen Sie das?
Das Ganze ist vielleicht auch deshalb passiert, weil wir kein Auge mehr für dieses Thema hatten. Offenbar konnte sich niemand bei uns diese Lesart vorstellen. Jetzt haben wir sichergestellt, dass so etwas nicht wieder vorkommen kann. Wir haben viele interne Schulungen gemacht. Außerdem werden wir demnächst eine Diversity- und Inklusionsbeauftragte vorstellen, die in Personalunion auch Gleichstellungsbeauftragte ist.
Apropos VW: Ihr Großkunde sieht sich wieder auf dem Agenturmarkt. Das kann Ihnen nicht schmecken.
Kunden halten immer ihre Augen offen. Das ist ein Gesetz der Branche. Details und Hintergründe sind zunächst Themen für Voltage und New York.
Wie definieren Sie eigentlich Ihre eigene Rolle: operativ an der Kundenfront tätiger Gruppenchef oder eher Stratege und interner Manager im Hintergrund?
Meine Aufgabe ist es, für nachhaltiges Wachstum zu sorgen. Dafür muss ich eine kollektive Zielrichtung definieren, hinter der sich alle versammeln können. Operativ steige ich punktuell ins Geschehen ein, wo es Bedarf gibt oder wo ich das Gefühl habe, dass ich einen Mehrwert liefern kann. Außerdem bin ich natürlich stark ins Neugeschäft involviert.
Bei DDB gibt es weitere Abgänge in der Hamburger und Berliner Führung. Wie wollen Sie die kompensieren?
Die Gruppe befindet sich inmitten einer Umstrukturierung, die aufgrund der strategischen Neuausrichtung auch Personalveränderungen mit sich bringen wird. Der eine oder andere wird sich sicherlich nicht darin wiederfinden können, dafür werden andere spannende Neuzugänge kommen. Parallel dazu gehört zum Erfolg einer Agentur auch, dass geschätzte Kollegen das Interesse anderer Marktteilnehmer wecken.
Wie hat sich die Lemon Group beziehungsweise DDB wirtschaftlich entwickelt?
Wir sind mit dem Jahr 2020 so zufrieden, wie man es angesichts von Corona sein kann. Es ging darum, Geschäft zu stabilisieren und sicherzustellen, dass wir für das neue Jahr gut aufgestellt sind. Das haben wir getan. Und es gibt Etatgewinne, wie IQOS in München, DATEV in Hamburg sowie weitere Mandate in Düsseldorf, Wolfsburg und Berlin über die wir aber noch nicht sprechen dürfen.
Sodass Sie mit welchen Erwartungen in das Jahr 2021 gehen?
Es wird ein Jahr des starken Miteinanders. Und dieses Miteinander gibt jedem die Freiheit, sich auf das zu konzentrieren, was er exzellent kann. Natürlich gibt es Einflüsse wie Corona, die sich nicht kontrollieren lassen. Aber wir haben die Basis geschaffen, um elastisch auf Veränderungen zu reagieren – und als Gruppe stabil zu wachsen.

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